Was ich gerne gewusst hätte, bevor ich nach TOGO gereist bin

Mariam

25.04.2019

Wenn man nach Togo reist, kann man sich sicher sein, dass man sehr oft erklären darf wo das denn liegt. Das Land kennt man in Deutschland kaum – trotz 32-jähriger kolonialer Besetzung. Obwohl Togo kaum größer ist als Niedersachsen, hat es landschaftlich unglaublich viel zu bieten: von wunderschönen Stränden über tropische Wälder zu trockener Savannenlandschaft im Norden. Ich habe aber nicht nur hübsche Fotos, sondern auch schöne Begegnungen, spannende Diskussionen und ganz viele neue Erfahrungen aus guten wie schwierigen Zeiten, aus meinen zwei Monaten dort mitgenommen. Hier eine Liste von Dingen, die ich trotzdem gerne schon vor meiner Reise gewusst hätte:

  1. Sprachen: Es gibt in Togo zwischen 37 und 42 unterschiedliche lokale Sprachen (in so einem kleinen Land!). Viele Menschen können ihre Muttersprache allerdings gar nicht verschriftlichen, weil der Unterricht in den Schulen ausschließlich auf Französisch stattfindet. Entsprechend kann quasi jeder dort Französisch, in akademischeren Kreisen sprechen auch manche Englisch. Der für Europäer*innen ungewohnte Akzent im Französisch ist wirklich nicht zu unterschätzen: ich dachte eigentlich meine Sprachkenntnisse wären ganz passabel, hatte dort dann aber das Gefühl, überhaupt nicht kommunizieren zu können – das hat mich ziemlich gewurmt.
  1. Religion: Neben den traditionellen Religionen, prägen das Christentum und der Islam das Land etwa gleich stark. Die Region um Sokodé ist vorwiegend von Muslim*innen bewohnt, die Küste ist eher christlich dominiert. In der Hauptstadt Lomé treffen alle dieser unterschiedlichen Religionen aufeinander. Mein Eindruck war, dass der Umgang damit ziemlich offen und friedlich ist und die meisten Menschen sehr gläubig sind, aber es nicht wirklich eine Rolle spielt, was für einen Glauben man lebt.
  2. Wie wenig touristisch das Land wirklich ist: ich habe die ersten drei Wochen in Lomé keine einzige andere weiße Person gesehen, noch nicht mal von weitem – ich glaube, das beschreibt die Situation ganz gut.
  3. Wie schön es ist, manchmal anonym sein zu können: Nachts durch die Straßen Lomés laufend hatte ich oft das Gefühl, Dota Kehrs Liedzeile: „Aber hey, hey was soll’s, ich bin nicht cool, aber ich leuchte bei Nacht“ bekam für mich eine ganz neue Bedeutung. Lomé und die meisten Teile Togos sind, wie beschrieben, wirklich kaum touristisch und entsprechend fällt man natürlich auf. Das kann zu schönen Gesprächen führen, aber manchmal auch nervig sein.
  4. Von Jungs angequatscht werden: Ich wurde in Lomé oft von Typen angesprochen, die offensichtlich und aufdringlich versucht haben, mit mir zu flirten und meine Nummer zu bekommen. Das kann wirklich anstrengend sein und hat bei mir irgendwann zu einer krassen Abwehrhaltung geführt: Ich habe angefangen, allen die selben Intentionen zu unterstellen – ohne überhaupt die Chance zu geben, Gegenteiliges zu zeigen. Ich glaube und hoffe, dass ich inzwischen offener mit solchen Situationen umgehen und besser meine Grenzen und Absichten artikulieren könnte, ohne gleich jede Person zu verurteilen. Trotzdem ist es dabei wohl immer ziemlich schwierig, eine gute Balance zwischen Vorsicht und Offenheit zu finden.
  1. Wo schöne Ecken sind: wirklich sehr empfehlenswert ist die Gegend um Kpalimé (tatsächlich für Togo auch relativ touristisch): eine hügelige, tropische Landschaft streckt sich hier vor einem aus, durchsetzt von kleinen Kaffee- und Kakaoplantagen und vielen schönen Wasserfällen; außerdem liegt hier der höchste Berg Togos (der Mont Agou, mit stolzen 986 Höhenmeter).
    Sokodé (im Zentrum Togos) ist eine recht beschauliche, gemütliche Stadt, in die sich wohl nie oder fast nie Tourist*innen verirren. Ich hatte das Glück, dorthin zu einer Hochzeit mitgenommen zu werden und dadurch viel mit den Bewohner*innen in Kontakt zu kommen. Umgeben von schönen Wäldern und mit ihren belebten Sandstraßen lohnt die Stadt aber auf jeden Fall einen Besuch.
  1. Wie man am besten herumreist: Die einfachste und beliebteste Möglichkeit von Ort zu Ort zu kommen sind Minibusse: das Busunternehmen, das ich empfehlen kann, ist Nagode Transport. Meine Fahrt nach Sokodé kostete 4500 cfa, also umgerechnet knapp 7 Euro. So weit ich weiß, muss man immer schon vor der Fahrt in den Häuschen des Unternehmens ein Ticket kaufen (in Lomé befindet sich die Station, an der ich ein Ticket gekauft habe und abgefahren bin, in Agbalépédogan an der großen Straße, die vom Eyadema Boulevard abgeht). Um Verpflegung muss man sich keinerlei Sorgen machen, die Busse halten immer wieder an Märkten an. Man muss meistens noch nicht mal aussteigen, denn die Verkäufer*innen drängen sich sofort um den Bus und bieten ihre Leckereien an.
    Alternativ kann man sich auch ein Auto mieten. Ich dachte zunächst, ich könnte einfach zum AVIS Vermietungsbüro laufen, das mir auf meiner Karte in der Innenstadt Lomés angezeigt wurde. Das Büro war allerdings unauffindbar. Wir haben dann Schuhverkäufer nach dem Weg gefragt, die waren super hilfsbereit und letztlich hat uns einer von ihnen das Auto eines Angestellten des deutschen Botschafters vermittelt. Am besten also wohl einfach Leute fragen.
  1. Wo man was am besten einkauft: ich habe eine ganze Zeit lang gebraucht, um für mich herauszufinden, was ich hier esse und wo ich was am besten kaufe (erschwert dadurch, das ich keinen Kühlschrank hatte bei konstanten 35°C): Super leckeres Gemüse und Obst bekommt man reichlich auf jedem Markt und an vielen Straßenecken; gutes Baguette und süße Brotlaibe (Verwechslungsgefahr!) findet man auch ziemlich leicht an der Straße (auch wenn verflixterweise eigentlich nie der Stand da ist, den man gerade sucht); für grundlegende Lebensmittel wie Eier oder Reis sind die kleinen Läden an jeder Ecke wunderbar, trotzdem habe ich mich ziemlich gefreut, als ich in Lomé langsam auch größere Supermärkte entdeckt habe (z.B. Ramco), wo man (für verhältnismäßig viel Geld) dann auch so etwas wie Haferflocken oder ganz ordentlichen Käse findet, was hin und wieder doch wirklich schön sein kann!
  2. Was man unbedingt mal essen sollte: Fufu (Brei aus yam-Wurzel); Pâtes (Brei aus Mais), bzw. Djencoumé (wie Pâtes, aber mit Zwiebeln und Tomaten vermengt und gewürzt, so dass es nicht so langweilig, sondern richtig lecker schmeckt!), Erdnussstangen (scharfer Snack aus gemahlenen Erdnüssen, findet man auf jedem Markt)
  3. Was man unbedingt mal trinken sollten: Bissap Saft (Hibiskussaft, am besten schmeckt er mit Minze und frisch hergestellt); Sodabi (selbstgebrauter Palmschnaps – ich mag eigentlich keinen harten Alkohol, aber der hat wirklich was)
  4. Ein Wasserfilter hätte mein Leben so viel einfacher gemacht: das Leitungswasser ist in Togo nicht trinkbar und ich wünschte wirklich, ich wäre damals schon auf die Idee gekommen einen Wasserfilter mitzunehmen – das hätte so viel Geld, stressige Situationen und das unendliche Wasser-Abkochen gespart.
  5. Dass ich mich immer fremd fühlen werde: Wo beginnt fremd-sein? Das war eine Frage, die ich mir in der Zeit häufig gestellt habe: bei einem fremden Land, fremder Sprache, fremder Stadt oder einfach nur fremden Menschen? Ich glaube, ich bin mit dem Anspruch nach Lomé gegangen, mich dort perfekt einzupassen und habe festgestellt, das das nie vollkommen funktionieren kann und sowieso immer sehr viel Zeit brauchen wird. Auch wenn Sich-zu-Hause-fühlen mehr oder weniger eine Entscheidung ist, wird Sich-weniger-fremd-fühlen immer ein langer Prozess sein und manchmal ist es besser, seine Fremdheit anzuerkennen, als sich daran abzukämpfen, sie zu retuschieren.
  1. So oder so ähnlich ist es wohl auch mit Privilegien: Ich bin in einem reichen Land, in einer reichen Familie geboren und versuche, mir meines Glücks bewusst zu sein und ändere damit doch überhaupt nichts, außer vielleicht mein Gewissen. Ich reise nach Togo, obwohl ich weiß, dass ganz viele Menschen dort nicht einfach nach Deutschland reisen könnten. Gleichzeitig glaube ich, dass es wichtig ist, sich mit seinen ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Privilegien zu konfrontieren. Ich genieße es, dort fürs Leben lernen zu können und frage mich doch, ob ich das nicht auch könnte, ohne dafür über den halben afrikanischen Kontinent zu fliegen. Ich weiß es nicht und jeder muss dafür wohl seine eigene Antwort finden.
  2. Dass ich nicht frei von Rassismus bin: Ich bin in einer Gesellschaft voller rassistischer Stereotype und Strukturen aufgewachsen und egal, wie sehr ich versuche, diese zu überwinden, offen und political correct zu sprechen und zu handeln, werde ich davon immer geprägt sein. Und es ist super wichtig, sich das einzugestehen.
  3. Politik: Togo wird seit der Unabhängigkeit autoritär regiert, zunächst von Étienne Gnassingbé Eyadéma und mittlerweile von seinem Sohn Fauré Gnassingbé. Es gibt ein Parlament, das wie der Präsident alle 5 Jahre neu gewählt wird. Die Fairness der Wahlen lässt sich allerdings anzweifeln. Im Herbst 2017 kam es zu größeren Protesten gegen die Regierung, vereinzelt gab es auch noch vornehmlich studentische Demonstrationen auf dem Unigelände, als ich im Februar und März 2018 dort war. Die Proteste wurden von Polizei und Militär, teilweise brutal und mit Toten, zerschlagen. Im Dezember 2018 fanden die letzten Parlamentswahlen statt: Die größten Oppositionsparteien boykottierten die Wahl und 59 der 92 Sitze gingen an die Regierungspartei, womit diese weiter an der Macht bleibt. Ob der Präsident damit allerdings seine Forderung, seine Amtszeit zu verlängern durchsetzen können wird, bleibt unklar. Die Stimmung im Land war, als ich dort war, ziemlich niedergeschlagen und hoffnungslos. Die jungen Leute haben trotz Studium quasi keine Aussichten auf Jobs und haben den Glauben an eine Verbesserung der Situation weitgehend aufgegeben, auch auf Grund der scheinbaren Wirkungslosigkeit der Proteste.