Was ich gerne gewusst hätte, bevor ich nach RUANDA/KIGALI gereist bin

Mariam

14.10.2018

Gerade mal etwas über 20 Jahre ist der ruandische Genozid her und trotzdem wirkte das Land auf mich, wie das organisierteste und sauberste Land Afrikas. Etwas skuril und surreal schien die Stimmung auf den schläfrigen Straßen Kigalis, die sich die grünen Hügel der Stadt hinauf winden. Ein Land mit heftiger Geschichte, großen Ambitionen und kaschierten Widersprüchen. Was ich gerne gewusst hätte bevor ich nach Kigali gereist bin:

  1. Plastiktüten sind verboten: Ich hatte ausversehen eine dabei und es ist am Flughafen niemandem aufgefallen, aber gerade wenn man mit dem Bus aus Nachbarländern kommt, werden wohl manchmal auch Taschen durchsucht und auch am Flughafen gibt es immer wieder Stichproben.
  2. Es gibt auch öffentliche Transportmittel vom Flughafen in die Stadt: Entgegen dem, was einem die Taxifahrer vor dem Flughafengebäude erzählen, ist es nur ein kurzer Fußweg zum Ausgang des Flughafens und dort fahren sehr viele Motorradtaxis, die viel billiger sind als die offiziellen Taxis im Flughafenbereich.
  3. Über Motorradtaxis: ein tolles Verkehrsmittel! In Ruanda ist besonders faszinierend, dass alle Helme derselben Marke tragen und man immer auch als Beifahrer einen dieser schicken Helme bekommt! Außerdem ist mir aufgefallen, dass die Preise, die die Motorradfahrer nennen, meist sehr fair waren, trotzdem gibt es immer Ausnahmen und es schadet natürlich nie, zumindest zu versuchen, ein bisschen zu handeln.
  4. Ruanda ist unfassbar gut organisiert: Achtung, wenn man aus einem anderen afrikanischen Land kommt, gibt es durchaus Kulturschockpotential! Schon meine Ankunft am Flughafen mit RwandAir war faszinierend: Visum bekommt man super unkompliziert bei der Einreise, ich musste kaum anstehen, es gibt sogar Kartenlesemaschinen zum Bezahlen und die Mitarbeiter waren so freundlich, es wirkte alles wie aus einem Werbevideo!
  5. Ruanda ist unfassbar sauber: die Straßen Kigalis kommen im Punkto Sauberkeit definitiv an München ran. Müll sehen ist quasi eine kleine Sensation.
  6. Über Minibusse: es dürfen tatsächlich nur so viele Menschen wie Sitzplätze vorhanden sind, einsteigen und die Busse halten nur an gekennzeichneten Haltestellen. Man zahlt die Fahrten mit einer speziellen Chipkarte, aber meistens kann man dem Fahrer als Tourist auch Münzen in die Hand drücken oder ein netter Businsasse bezahlt auf seiner Karte für Dich.
  7. Essen auf der Straße gilt als unhöflich: Was wirklich auffällt ist, dass es keinerlei Essensstände auf der Straße oder Menschen mit Körben von Ananas oder Ähnlichem auf dem Kopf gibt. Essen wird nur in Supermärkten, kleinen Läden oder ausgewiesenen Marktarrealen verkauft.
  8. Straßenleben: vermutlich auch durch das mangelnde Essensangebot, ist auf den Straßen Kigalis so gut wie nichts los. Natürlich schiebt sich der normale Verkehr über den Asphalt, aber man hat nicht das Gefühl, das Leben auf den Straßen wäre: es gibt kaum Fußgänger und die von allen Ecken her schallende Gute-Laune-Musik, die ich vor allem aus Westafrika kenne, fehlt auch.
  9. Lebendiger wirkt allerdings das Viertel Nyamirambo: dieser muslimisch geprägte Stadtteil ist etwas weniger schick, hier sieht man auch abends noch viele Menschen auf der Straße und es gibt einige ganz coole Cafés und Bars.
  10. Kommunikation: Ruanda war vom 1. Weltkrieg bis zur Unabhängigkeit belgische Kolonie und daher französischsprachig, aber seit 2008 ist die Schulsprache Englisch und außer der Landessprache Kinyarwanda sind noch Englisch, Französisch und Swahili offizielle Sprachen. Meine Erfahrung war, dass Englisch meistens erstaunlich gut funktionierte und Französisch irritierenderweise eigentlich nie weiterhalf.
  11. Kigali ist super hügelig: die kleinen Häuser ziehen sich hübsch die grünen Hügel hinauf und ganz besonders schön fand ich die versteckten Dachcafés, von denen man oft wunderbare Blicke über die Stadt hat, so zum Beispiel das Inzora Rooftop Café.
  1. Über die Geschichte: Ich finde es generell immer wichtig sich in dem Land, das man bereist auch mit der Geschichte auseinander zu setzen, hier eine sehr kurze Zusammenfassung: im Königreich Ruanda lebte ein Volk mit gemeinsamer Sprache und Tradition, die unterschiedliche Bezeichnungen füreinander verwendeten je nach ausgeübter Tätigkeit, so gab es die Twa (Jäger und Sammler), die Hutu (Bauern) und die Tutsi (Viehzüchter), die Regierenden zählten auch zu den Tutsi; als die Deutschen das Land zusammen mit Tansania und Burundi unter dem Namen Deutsch-Ostafrika kolonisierten, bestimmten sie die unterschiedlichen sozialen Gruppen als unterschiedliche ethische Gruppen oder “Rassen” und schrieben ihnen im Sinne der damals vorherrschenden Rassenideologie unterschiedliche Kultur und Aussehen zu. Sie banden dabei nur die Tutsi in die Regierung ein. Diese Trennung behielten die Belgier, die die Kolonie im 1. Weltkrieg übernahmen, weitgehend bei. Ab Ende der 1950er Jahre kam es immer wieder zu Spannungen zwischen Hutu und Tutsi. Es kam zu großen (gewalttätigen) Aufständen der Hutu-Bevölkerung, die daraufhin, mit Hilfe der Belgier, die Macht übernahmen. Nach einem Referendum wurde Ruanda 1962 in die Unabhängigkeit entlassen. Die Twa waren marginalisiert und größtenteils Bettler. Viele Tutsi flohen in die angrenzenden Länder und bildeten dort Widerstandsgruppen, wie die Ruandische Patriotische Front (RPF). Unter der Hutu-Regierung wurden die im Land verbliebenen Tutsi systematisch durch Propaganda als minderwertig klassifiziert. Die RPF besetzte ab 1990 den Norden des Landes. In dem darauffolgenden Bürgerkrieg schaffte es keine Seite die Überhand zu gewinnen, aber der Präsident Habyarimana sah sich nach einiger Zeit gezwungen, ein Friedensabkommen zu unterzeichnen. Doch als 1994 das Flugzeug, in dem sich Habyarimana befand, abgeschossen wurde, eskalierte die Lage. Die Regierung machte die RPF für den Anschlag verantwortlich und begann daraufhin systematisch innerhalb von drei Monaten Tutsi und regierungskritische Hutu umzubringen. Bei dem Genozid wurden zwischen 800.000 und 1.000.000 Menschen ermordet (etwa 75% der gesamten Tutsi-Bevölkerung). Wer tatsächlich hinter dem Anschlag auf die Präsidentenmaschine steckte ist unklar, häufig wird vermutet, dass es extremistische Hutu waren, die mit der vermeintlichen Annäherungspolitik Habyarimanas nicht einverstanden waren. Im Juli 1994 schaffte es die RPF, in weitere Teile des Landes vorzudringen und den Völkermord zu beenden. Es wurde eine gleichnamige Partei gegründet, die das Land seitdem regiert.
  2. Über Politik: seit 2003 ist Paul Kagamé Präsident des Landes, alle 7 Jahre wird neu gewählt, bereits mehrmals veränderte Kagamé die maximale Länge, die ein Präsident im Amt bleiben darf (wie demokratisch das ist sei dahingestellt), und er wurde jeweils mit großer Mehrheit (über 90 %) wiedergewählt. Es gibt auch ein Parlament was für die Gesetzgebung und Kontrolle des Präsidenten da ist. Es ist eines der zwei einzigen Parlamente weltweit, in dem mehr Frauen als Männer sitzen. Kagamé hat große Pläne für das Land, es soll eine Art Vorzeigestaat Afrikas werden: er möchte das Ruanda bis 2020 ein Land mittleren Einkommens ist und hat große Pläne für die Afrikanische Union (eine Handelszone, keine Visa). Außerdem hat Ruanda eine sehr fortschrittliche Gleichberechtigungs-, Umwelt- und Rassismuspolitik. So ist es zum Beispiel verboten, Parteien auf religiöser, ethischer oder sonstiger seperatistischer Basis zu gründen und es wird großer Wert darauf gelegt, dass sich Ruander*innen als ein Volk identifizieren und Begriffe wie Hutu und Tutsi keine Rolle mehr spielen.