5 Gründe wieso es kein Problem ist mit 17 alleine durch Osteuropa zu reisen

Mariam

02.07.2018

1. Man trifft überall coole Leute…

Langsam windet sich der Holzpfad wie eine Wendeltreppe über die Bäume hinaus. Mit der Höhe kommt die schöne Aussicht. Meine Schritte klopfen auf das Holz. Vorbei an Familien, deren Kinder voraus rennen und an Pärchen, die Selfies vor der Waldlandschaft machen. Ich beschleunige meine Schritte bis ich ganz oben stehe, an das Geländer gelehnt und tief durchatme. Weite Waldlandschaft, leichte Hügel, in der Ferne der See. Ich atme langsam ein und aus. Einen kurzen Moment lang bin ich ganz alleine dort oben, über den Baumwipfeln. Dann strömen weitere Tagestouristen auf das Deck. Aber das Gefühl bleibt. Ich lächle. Ich bin alleine. Und das ist wirklich mal schön.

Noch als ich mit mulmigem Gefühl in den ersten Zug nach Krakau gestiegen bin, hätte ich nicht gedacht, dass das einer der seltenen Tage alleine werden sollte. Denn ab da ging es von einer Begegnung in die andere und gerade wenn ich dachte: jetzt setze ich mich mal hin und lese ein bisschen, kam wieder jemand vorbei  – „Hey, how are you doing?“ – und schon entspann sich ein interessantes Gespräch und das Buch wurde wieder aus der Hand gelegt. Aus einer einfachen Nachfrage im Bus, wo es denn gut wäre auszusteigen, wenn man in den slowakischen Bergen wandern gehen wolle, wurde eine Einladung in ein AirBnB Appartment. Kurz mal wandern gehen als Zwischenstopp auf dem Weg nach Bratislava wurde so zu einem wunderbaren Wochenende mit einer Gruppe super netter junger Menschen. Und wenn ich dann doch mal in meinem Hostel saß und die Leute neben mir nur zu McDonalds gehen wollten, dann nahm ich eben kurzerhand den nächsten Zug und stürzte mich in den nächsten Ort und die nächsten Überraschungen.

2. … und selbst wenn nicht, kann man wirklich nur schwer verloren gehen…

Ein Bahnhofsgebäude aus roten Ziegeln mit verrammelten Türen und dazu die Gleise, die sich zusammen mit den zwei leeren Bahnsteigen ins Unendliche zu erstrecken scheinen. Kein Ort weit und breit, ein Paar vereinzelte Häuser in der Ferne, sonst nichts und niemand. An diesem Ort soll ich laut meiner Fahrplanapp die nächsten vier Stunden verbringen. Erster Tag meiner Reise. Ich stehe alleine auf dem Bahnsteig. Das ist also Polen. Die Leere scheint sich noch mehr auszudehnen vor mir. Ich hoffe inständig, dass hier überhaupt jemals wieder irgendein Zug in irgendeine Richtung fährt. So in der Art fühlt es sich wohl an verloren zu gehen. Ich schultere meinen Rucksack nehme meine Tasche und laufe den Bahnsteig entlang bis zu einer Bank, wo ich alles abstelle und mich hinsetze. Ich glaub, ich war noch nie an so einem tristen Ort. Nach etwa einer Stunde in die Ferne starren, tauchen plötzlich ein mittelalter Mann und eine sehr alte Frau an der Ecke des Bahnhofsgebäudes auf. Der Mann spricht immerhin ein paar Brocken Englisch und die Frau lächelt nett und so glaube ich nach einiger Zeit zu verstehen, dass dieser Zug dort hinten bald abfährt und ich ihnen folgen soll. Den Zug, auf den sie zeigen, hatte ich bis dahin für aus dem Verkehr genommen gehalten. Wir steigen also ein und der nette Pole vermittelt zwischen mir und dem Schaffner. Nach einigem hin und her darf ich sogar mitfahren. Und tatsächlich fährt der Zug ein paar Minuten später mit uns dreien an Bord an und ich bin froh hier weg zu kommen. So bin ich also doch nicht im Grenzgebiet Polens verloren gegangen.

3. Alter sollte einen nie hindern

„17?? Du bist noch nicht mal volljährig??“ Ich weiß gar nicht wie oft ich auf dieser Reise ungläubig angeschaut wurde. Das ist etwas was man scheinbar nicht macht: mit 17 alleine reisen. Aber wieso eigentlich nicht? Würde die 8 an zweiter Stelle und das damit einhergehende Wort „Volljährigkeit“ denn besonders viel ändern? Mitten in der Abiturprüfungszeit dachte ich plötzlich, danach muss ich raus, was Neues machen und zwar nur für mich. Noch nie davor hatte ich wirklich dieses Bedürfnis verspürt, und dass ich es nun verspürte, hieß auch, dass ich bereit war. Und tatsächlich stieg ich dann am Tag nach der Notenbekanntgabe in den Zug. Alleine und ohne Plan. Erstes Ziel: Krakau. Das war meine Idee, mein Ding. Und das würde ich auch durchziehen.

4. Osteuropa ist immer noch Europa…

Als ich in Krakau war, war es für mich ziemlich selbstverständlich auch Auschwitz zu besuchen und da die Einzeltickets für den nächsten Tag ausgebucht waren, buchte ich in meinem Hostel eine Tour. Zu verabredeter Uhrzeit am verabredeten Ort passierte dann eine ganze Zeit lang nichts. Ich stand auf einem leeren Platz in der Sonne und wunderte mich, wo denn alle anderen wären. Irgendwann hielt ein kleiner Bus neben mir und der Fahrer stieg aus und rief zu mir rüber, er mache die Tour nach Auschwitz. Langsam setzte ich mich in Bewegung und fragte ihn im Kommen, wo denn die anderen seien, ich wäre wohl die einzige hieß es. Es war ein ganz normaler Minibus, kein Schild, kein gar nichts. Schon mit einem Fuß im Bus dachte ich plötzlich, dass dieser Typ mir eigentlich alles erzählen könnte. Und ich dachte, vermutlich ist es bescheuert, aber vielleicht sollte ich doch nachfragen, und fühlte mich dann wirklich sehr viel besser, als er mir ein Schild mit dem Namen der Tourismusgesellschaft zeigte. Dann eben wirklich gerne eine Privattour.

Das war vermutlich die einem Raubüberfall am naheliegendste Situation der Reise. Und auch sonst ist alles letztlich ein bisschen wie immer: man bekommt in allen Supermärkten die von zu Hause gewohnten Dinge, man kann ohne Probleme auch nachts rumlaufen, die Infrastruktur ist gut ausgebaut und bei den meisten Mobilfunkanbietern kann man ja seit letztem Jahr sogar wie gewohnt seine mobilen Daten weiter nutzen. Das einzige was in Osteuropa unter Umständen manchmal schwierig ist, ist die Verständigung: Besonders in Polen können teilweise sogar Angestellte an Ticketschaltern kein Wort Englisch, aber irgendwie gelingt auch hier die Kommunikation meistens doch. Und außerdem ist das mit dem Englisch ja laut Klischees, die sich zumindest in meinem Leben in diesem Fall meist bestätigt haben, auch in Frankreich nicht besonders einfach.

5. Es ist günstig und lohnt sich…

Hostelzimmer für 8 Euro mit Frühstück, leckeres Essen in einem Restaurant mit Terrasse direkt am Fluss für 80 tschechische Kronen (etwa 3 Euro) oder eine Fährentour auf der Donau in Budapest für 350 Forint (etwas mehr als 1 Euro), waren wohl nur im östlichen Teil Europas möglich. Außerdem führte mich meine Reise durch das coole jüdische Viertel Krakaus, die schönen grünen Bergen der Slowakei, die beeindruckende Architektur Budapests, Schwärme von Eintagsfliegen an Flüssen der südlichen Tiefebenen Ungarns, ein tschechisches Festival in Brno, die süßen Gassen von Český Krumlov und durch die Waldlandschaft und die klaren Seen des Sudetenlands. Züge aller Art brachten mich von Ort zu Ort, denn ich reiste mit einem „Interrailticket“. Die Idee von „Interrail“, mit Hilfe von einem Ticket flexibel mit Zügen durch Europa reisen zu können, fand ich ziemlich gut und gab mir erst die Idee zu der Reise. Aber letztlich kommt man mit Bussen (oder natürlich hitchhiken) doch sehr viel günstiger und genauso komfortabel herum. Denn im Vergleich zu Bustickets und zu den Lebenskosten in Osteuropa ist ein „Interrailticket“ doch unverhältnismäßig teuer. Für viele Strecken muss man außerdem einen Platz in den Zügen im Vorhinein reservieren, also zusätzliche Kosten und Ade Flexibilität. Wenn man das umgehen will, fährt man dann eben mal 15 Stunden mit vier Umstiegen an kleinen Bahnhöfen mitten im nirgendwo von München nach Krakau.

Der Zug läuft in den Bahnhof in München ein. Die Zeit läuft weiter. Und immer zu schnell. Aber das Gefühl bleibt. Ich lächle. Ich bin alleine. Und das ist schön.