Der Albtraum deiner Mutter #378: Über Wildcampen in Südamerika

Roxy

Roxy

10.05.2018

Zugegeben – bevor ich in Südamerika ankam, hatte ich selbst einige Bedenken, als ich genauer über das Vorhaben, viel in der Natur zu schlafen, nachdachte. Kaum eine Person, die ich vor dem Beginn meiner Reise traf, hatte Gutes von Südamerika zu erzählen – egal über welches Land. Es scheint vielen ein großes Bedürfnis zu sein, vor möglichen Gefahren in den anstehenden Reiseländern zu warnen. Dass die brenzligen Situationen, die einem ungewollt erzählt werden, meist gar nicht dem Erzähler widerfuhren, sondern dem Bekannten einer Bekannten tut dabei nichts zur Sache. Sich von diesen gezeichneten Bildern nicht einnehmen zu lassen, bedarf großer Aufmerksamkeit. Ich gebe zu, mir gelingt das nicht immer, doch um mich von einem Vorhaben abbringen zu lassen, bedarf es mehr als die weitverbreitete Angst vor Unbekanntem, die in vielen Menschen zu wohnen scheint.

Also, das Zelt wurde eingepackt, Geld für ein Auto zurechtgelegt.

Bereits in den ersten Tagen in Quito begann ich mit der Suche nach einem geeigneten Heim für die anstehende Reise und als Bogotá erreicht war stand fest: ohne Auto geht es nicht weiter. An so vielen verwunschenen Orten war der Bus, der einen strikt von A nach B transportiert, vorbeigeschossen und spuckte einen in der nächsten, der gerade verlassenen enttäuschend ähnlichen Stadt wieder aus.

Ich gebe zu, die Autosuche war anstrengend und zeitweise zermürbend, doch lernten wir in dieser Zeit solch herzliche Kolumbianer kennen, dass ich diese Episode niemals missen möchte.

Doch spulen wir vorwärts, denn worum es eigentlich gehen sollte, ist alles was danach kam. Und das ist, um es kurz zu fassen, eine der schönsten Freiheiten, die ich je kennenlernen durfte. Die Möglichkeit, jeden Ort zu seinem Zuhause zu machen ist nicht zu vergleichen. Dadurch, dass wir in den hinteren Teil des Autos Regale und ein Bett gebaut und uns mit Kochutensilien und Essensvorräten ausgestattet hatten, konnten wir bleiben wo und (fast) so lange wir wollten.

Selbstverständlich, und hier möchte ich nicht lügen, gibt es einige Orte, an denen es keine kluge Idee wäre, zu übernachten. Hierzu zähle ich persönlich besonders Städte und deren nahes Umland sowie neben befahrenen Straßen, doch wer möchte hier schon schlafen, wenn man die schönste Natur nebenan hat?

Wie viele Nächte gab es, wo wir mit den Sternen alleine waren und in der Früh von lustigen Tiergeräuschen geweckt wurden. An einsamen Stränden, neben wilden Gebirgsflüssen, an hohen Bergseen mit traumhaften Aussichten in weite, unentdeckte Fernen.

Selbstverständlich fanden wir nicht jeden Abend das Paradies und schliefen auch an dem ein oder anderen Ort, an dem wir uns eher unwohl fühlten. Hierfür entwickelten wir das Papaya System. Im Kolumbianischen gibt es ein Sprichwort, das im groben besagt, dass, wer seine Papayas offen herum liegen lässt, sich nicht wundern dürfe, wenn sie abhanden kommen. Wir belegten kritische Orte also mit einem Papaya Level, welches unsere Sicherheitsvorkehrungen bestimmte (beispielsweise, wie weit die Fenster geöffnet sein dürfen) und tatsächlich auch ein bisschen die Schlafqualität beeinflusste. Orte, die ein Papaya Level über 4 hatten wurden ausgeschlossen. Hierfür bedarf es meines Erachtens einzig einer Prise gesunden Menschenverstands und einer gesunden Verbindung zu seinem Bauchgefühl – so wie auch sonst überall auf der Welt.

Klar, man kann argumentieren, dass je weiter weg man sich von Zivilisation befindet, die Wahrscheinlichkeit auf Hilfe in einer brenzligen Situation rapide sinkt. Wir haben jedoch festgestellt, dass Menschen, je weiter abgeschieden man sie trifft, proportional interessierter und freundlicher werden. Viele Passanten an abgeschiedenen Orten beäugten uns zunächst etwas irritiert und kritisch, zauberten aber ein strahlendes Lächeln auf ihr Gesicht, sobald wir freundlich grüßten. Hier, wie überall sonst auf der Welt, reagieren Menschen auf dich, wie du ihnen entgegentrittst. Und wer sollte etwas gegen deine Anwesenheit haben, wenn du freundlich und zuvorkommend bist?

Schlussendlich ist es so: ich habe schlafen im Auto in der Natur Südamerikas nicht als gefährlicher empfunden als Wildzelten in Italien. Ein gewisses Risiko ist selbstverständlich nie auszuschließen, doch dieses ist nicht per se an ein Land gebunden. Auch, und das wird vielleicht übersehen, entgeht man auf dieser Art der ein oder anderen risikoreichen Situation. Nachtbusreisen beispielsweise, chaotischen Situationen an Busbahnhöfen, große Mehrbettzimmer in Hostels, in denen durchaus Dinge abhanden gehen können, Kamikazebusfahrer… Und, und das ist vielleicht der wichtigste Punkt, man kommt, wenn man mit einem eigenen Auto reist, der Natur und den Menschen des bereisten Landes unfassbar viel näher, weil man sich viel außerhalb der gängigen Touristenrouten bewegt und das macht reisen noch vielschichtiger und interessanter als es sowieso bereits ist.

Für mich persönlich war diese Reise, zumindest zu Beginn, nur in Begleitung meines Partners möglich. Jetzt, da ich ein Gefühl für die bereisten Länder habe, würde ich es vielleicht auch alleine machen. Auch glaube ich, dass die festen Wände des Autos mehr Geborgenheit geben, als dünne Zeltwände. Doch auch diese Form wäre für mich hier inzwischen denkbar.

Wenn man sich nicht sicher ist, kann man sich ja langsam an bestimmte Reiseformen herantasten und erstmal mit eigenen Augen sehen und mit dem eigenen Herz fühlen, wo man eigentlich ankommt. Denn, und so war es bisher immer, die Menschen eines Landes waren immer um Welten freundlicher, als die Nachbarn uns warnten.

Hier ein paar Tipps, die wir gerne beachten, wenn wir Schlafplätze auswählen (ob mit Auto oder Zelt)

  1. Nicht sichtbar von einer großen Straße
  2. Möglichst außerhalb der Sichtweite von Häusern
  3. Möglichst im Tageslicht ankommen, so lässt sich ein Ort ehrlicher einschätzen
  4. Wenn man Leuten begegnet freundlich erfragen, ob sie diesen Ort als ungefährlich einschätzen und ob sie denken, dass es in Ordnung ist hier die Nacht zu verbringen. Hierbei auf die Mimik des Gegenübers achten.
  5. Besonders in Südamerika wichtig: auf den Höhenunterschied zum vorherigen Schlafplatz achten! Höhenkrankheit ist eine ernstzunehmende Sache.
  6. Wenn in besiedelten Gegenden geschlafen werden will: an belebten Plätzen in kleinen Orten; in Sackgassen in Städten. In Südamerika gibt es außerdem eine Vielzahl bewachter Parkplätze, hier kann man gute Preise für sichere Nächte verhandeln.
  7. Wenn ein Ort Bauchgrummeln hervorruft, aber weiterfahren keine Option ist, sollte man diesem trauen und einfach für Unterkunft zahlen. Denn diese Nacht wird keine ruhige werden.

Ganz grundsätzlich gilt für uns folgendes beim Wildcampen

  1. Verschließe die Türen, mache es Menschen schwer, in das Auto einzudringen.
  2. Lasse keine Wertsachen sichtbar liegen, schaffe keine Anreize.
  3. Lasse nichts draußen liegen.
  4. Hinterlasse den Platz, wie du ihn gefunden hast (oder sauberer). Mache es anderen möglich, ebenfalls an diesem Platz zu nächtigen und verwirke nicht die Gastfreundschaft der Anwohner.
  5. Mache nichts kaputt.
  6. Störe niemanden.