1. Etappe: von Wien bis Stúrovo

Sarah

08.11.2018

Nach einem Spaziergang durch Wien brechen wir auf. Die erste Etappe möchten wir mit dem Boot zurücklegen – auf der Donau geht es bis nach Bratislava. Der Weg auf dem Wasser ist ein guter Einstieg. Wir bekommen ein Gefühl dafür unterwegs zu sein. Ab jetzt werden wir jeden Tag in einem anderen Ort schlafen. Ich kenne Merle bereits seit einigen Jahren. Bisher sind wir noch nicht zusammen verreist. Aber unsere Vorstellungen von Urlaub ähneln sich und so wollen wir es gemeinsam versuchen. Ich bin gespannt wie es läuft – nicht immer bestehen Freundschaften solch eine Härteprobe. Wir sind aufgeregt und gespannt auf die nächsten fünf Wochen. In den Tag hinein leben, spontan sein, nicht wissen wo wir abends schlafen – ein gutes Kontrastprogramm zu dem sonst so vorhersehbaren Alltag.

 

 

 

 

 

In Bratislava angekommen besichtigen wir die hübsche Altstadt und steigen auf die Pressburg. Sie erhebt sich am Ufer der Donau über die Stadt und bietet einen tollen Überblick. Den Titel „Wien’s kleine Schwester“ verdient die Hauptstadt der Slowakei zu Recht. Kleine Gassen führen vorbei an historischen Gebäuden, überall sind nette Cafés und trotz der Ähnlichkeit zu Wien sind die Preise recht günstig. Ohne Probleme finden wir ein Hostel und über unsere Karten gebeugt machen wir uns an die weitere Planung. Wir überlegen uns Etappen, wo wir wann etwa sein werden und welche Orte wir uns gern länger ansehen möchten. Schaffen wir es in fünf Wochen nach Istanbul?

Am nächsten Tag fahren wir mit dem Bus nach Nitra, eine für slowakische Verhältnisse große Stadt (mit 78.000 Einwohnern) im Westen des Landes. Von hier aus laufen wir weiter. Unser Ziel ist der Zeltplatz von Polny Kesov. Bisher lief alles super, doch jetzt beginnt es zu regnen und wir finden den Weg nicht. Da wir nicht alle Strecken laufen, kommt es vor, dass wir vom Sultanstrail abweichen müssen und somit keine Wegmarkierungen zur Orientierung haben. Aber ein kleiner Flirt am Eisstand hilft uns weiter:

„Entschuldigung, kennst du den Weg Richtung Polny Kesov?“
„Ja.“
„Kannst du uns den auch verraten?“
„Nur wenn ich eure Nummern bekomme.“
„Oh… leider haben wir kein Handy.“ (als ob)
„Dann müsst ihr bei mir Eis kaufen.“

Zwar regnet es, aber Eis geht immer und mit seiner gemalten Skizze finden wir den Weg. Es sind vor allem solch kleine Begegnungen mit Menschen, die in Erinnerung bleiben.

Endlich angekommen, bauen wir im Dauerregen unser Zelt auf. Die Nacht verläuft sehr unruhig. Unsere einzigen Nachbarn auf dem Campingplatz scheinen ihr Junggesellenleben mal so richtig feiern zu müssen. Die grölende Horde fällt erst gegen Morgen ins Koma, dann ist es aber für uns bereits Zeit aufzustehen und weiter zu wandern – immer Richtung Süden.

Nach nur einer Stunde merke ich die ersten Blasen. Nur zu gut erinnere ich mich wieder an meine letzte Wanderung auf dem Jakobsweg – kein Tag ohne schmerzende Füße oder Schultern. Warum nochmal trage ich freiwillig 15 Kilo Gepäck durch die Gegend? Doch mit den ersten Sonnenstrahlen verfliegen die trüben Gedanken und als wir durch goldene Kornfelder laufen und große Schwärme von Schmetterlingen uns begleiten, vergesse ich die wunden Füße.

Von Komárno wandern und trampen wir bis nach Stúrovo. Nachdem wir all die Anhalter-Horrorgeschichten verdrängt hatten, die uns vor der Abreise von Freunden und Familie erzählt wurden, verlieren wir allmählich unsere Scheu. Es macht immer mehr Spaß den Arm am Straßenrand auszustrecken. So treffen wir die unterschiedlichsten Leute: Pärchen, die noch nie Tramper mitgenommen haben, Männer, die kein Wort mit uns wechseln, oder eine ältere Dame, die ganz aufgeregt mit uns ihr Deutsch übt, während wir uns die Rückbank mit ihrem Schäferhund teilen.

Mein erster Eindruck von der Slowakei: Mir gefällt die entspannte Atmosphäre. Vor allem die kleinen verschlafenen Ortschaften eignen sich perfekt um die Seele baumeln zu lassen. Auch die Landschaft ist schön – Wälder, weite Wiesen und Felder, kleine Seen. Besonders in Erinnerung blieb mir die für Osteuropa typische Gastfreundschaft und Herzlichkeit. Häufig werden wir angesprochen und nach unserem Weg gefragt. Wir freuen uns über jeden Plausch, auch wenn wir mit unserem Reiseplan häufig auf Unverständnis treffen. Wie könne es Erholung sein, fünf Wochen lang einen schweren Rucksack durch die Gegend zu tragen. Doch wir sind sehr zufrieden mit unserer Route.