5. Etappe: von Kirklareli bis Istanbul

Sarah

22.08.2019

Die Tage am Schwarzen Meer in Bulgarien vergingen viel zu schnell. Wir sind bereits seit einem Monat unterwegs und der Trail neigt sich dem Ende zu. In wenigen Tagen erreichen wir unser Ziel, die Süleymaniye-Moschee in Istanbul. Also schultern unsere Rucksäcke und laufen Richtung türkische Grenze. Mittlerweile ist es Hochsommer und je näher wir Richtung Istanbul kommen, umso heißer wird es. Nach einigen Stunden Wandern sind wir froh als ein Wagen hält und anbietet, uns zur Grenze mitzunehmen. Dort werden wir sechsmal kontrolliert und jedes Mal sorgt unser Einreisegrund für Unverständnis. Sowohl auf der bulgarischen als auch auf der türkischen Seite werden wir von einem zum anderen Beamten geschickt und müssen mehrmals unsere Geschichte erzählen. Dass wir seit Wien unterwegs sind und nach Istanbul möchten, kommt hier noch nicht so häufig vor. Vielleicht ändert sich das, wenn der Trail bekannter wird.

Endlich werden wir durchgelassen. Mit unserem Pass, inklusive Einreisestempel, gehen wir auf Geldsuche, aber es gibt weder einen Bankautomat, noch eine Wechselstube. Der Bus, der uns eigentlich in den nächsten Ort bringen soll, fährt ohne uns vorbei. Also bleibt nur trampen. In Kirklareli angekommen, suchen wir uns eine Unterkunft. Mit einigem Verhandeln und Augenklimpern bekommen wir ein Doppelzimmer mit Frühstück zum halben Preis. Das Argument, wir pilgern zum Grab des Sultan Süleyman, macht Eindruck. Die nächsten zwei Stunden verbringen wir damit, auf den Sonnenuntergang zu warten. Es ist Ramadan und alle Restaurants bereiten sich auf das Fastenbrechen am Abend vor. Die Vorfreude und Spannung ist spürbar und wäre da nicht mein knurrender Magen, könnte ich die Stimmung noch mehr genießen. Endlich ertönt der Ruf des Muezzins, dem Gebetsrufer, und das große Essen kann beginnen.

Am nächsten Tag stehen wir früh auf, immerhin liegt eine große Etappe vor uns. Wir wollen die etwa 30 Kilometer bis Pinarhisar wandern. Zu Beginn läuft auch alles gut, wir finden die Pfeile und noch ist es angenehm kühl. Nach etwa zwei Stunden fragen wir uns jedoch langsam, ob wir falsch gelaufen sind. Der Karte nach, müssten wir bereits durch zwei Dörfer gekommen sein, aber alles was wir sehen ist eine Steppe. Weit und breit nichts, nur verdorrtes Gras, Steine und ein endloser Weg. Wir brüten in der zunehmenden Hitze, unser Wasser neigt sich dem Ende zu und wir haben nur noch zwei Müsliriegel im Gepäck. Nach weiteren zwei Stunden lassen wir uns erschöpft ins Gras fallen. Die Vorräte sind aufgebraucht und unsere Kräfte am Ende, es ist so heiß und noch immer kein Haus in Sicht. Da liegen wir also, ratlos. Wieder zurücklaufen oder weiter gehen?

In dem Moment hören wir ein Motorengeräusch. Ein Minibus nähert sich. Meine Freundin springt auf den Weg und hält den Wagen an. Wir lassen ihm keine andere Wahl, als uns mitzunehmen und steigen in den Bus. Hauptsache raus aus der Hitze. Dass wir unsere mühsam gelaufene Strecke wieder zurück fahren, ist dabei nicht mehr wichtig. Am Ende sind wir erneut in dem kleinen Dorf, in welchem wir falsch abgebogen waren. Ein älterer Mann spricht uns an. Er hat einige Jahre in Deutschland gearbeitet und verbringt nun seine Rente in der Türkei. Er freut sich, sein deutsch zu üben und wir erzählen ihm unsere Geschichte. Daraufhin nimmt er uns an den Händen und führt uns zu einer Teestube, an deren Regenrinne ein kleiner Aufkleber mit dem blauen Pfeil klebt. Okay – den hatten wir übersehen.

Wir verbringen den Nachmittag in einer netten Runde mit älteren Herren, die uns mit schwarzen Tee und Gebäck versorgen und von ihrer Zeit in Deutschland berichten. Wir treffen häufig Menschen, die nur ihren Urlaub in der Türkei verbringen und sonst in Deutschland leben. Gegen Abend fahren wir in die nächstgrößere Stadt Saray und verbringen dort die Nacht.

 

Zwei Tage später, es ist der 2. August, etwa 12 Uhr mittags: In einem überfüllten Bus fahren wir in die Innenstadt Istanbuls und nach einigem Umherirren und Rumfragen finden wir unser Hostel, welches wir für die nächsten vier Tage gebucht haben. Das Gepäck landet in der Ecke, wir haben keine Geduld mehr, uns zieht es zur Süleymaniye-Moschee. Und da ist sie: viele Säulen, eine große Kuppel, vier Minarette und ein hübschen Garten. Neben dem Hauptgebäude steht das Mausoleum mit dem Grab des Sultans sowie seiner Hauptfrau Haseki Hürrem. Alles ist sehr imposant und die bunten Farben der Innenräume versetzen uns in eine andere Welt. Wir tragen, wie alle Frauen hier, ein Kopftuch und knien auf dem dicken Teppich. Die Muslime um uns herum beten, wir reflektieren leise unsere Reise und genießen die Atmosphäre.

Auch wenn wir nicht die gesamte Strecke liefen, sind wir stolz, den Trail bewältigt zu haben. Wir sind häufig über uns hinaus gewachsen, hatten viel Spaß, haben uns gestritten, wieder vertragen, sind weiter gewandert, haben interessante Menschen kennengelernt und noch mehr tolle Erfahrungen gesammelt. Ich erinnere mich an die Bootstour mit einer Gruppe serbischer Männer, an die alte ungarische Frau, die sich so sehr freute ihr Deutsch mit uns üben zu können und an das wunderschöne Rila-Gebirge in Bulgarien, für welches wir viel zu sommerlich gekleidet waren. Aber auch an die Menschen, denen wir beim trampen begegneten und welche für viel Gesprächsstoff sorgten, an entspannte Tage am Balaton und am Schwarzen Meer sowie an die nicht enden wollende Suche nach dem blauen Pfeil. Die letzten fünf Wochen waren eine schöne und aufregende Zeit, die wir in Istanbul ausklingen lassen wollen. Wir verbringen die nächsten Tage in der Stadt am Bosporus, in der die Sonne immer so schön hinter den vielen Minaretten untergeht.